Thomas* saß fast jeden Tag auf der Bank vor dem Markt.
Egal ob Sommer oder Winter, er war da. Er hatte Zeit, denn er war Früh-Pensionist. Alleinstehend, meistens pleite.
Im Sommer kletterte das Thermometer in seiner Garconniere auf über 30 Grad. Der schattige Marktplatz vor dem Haus war sein „eigentliches Wohnzimmer“, wie er oft sagte.
Ich habe Thomas kennen gelernt, als ich in seinem Viertel arbeitete. In einem Büro, das zu Bauprojekten informiert. 🏠
Thomas kam oft vorbei – einfach, um zu plaudern. Er wusste immer, was im Viertel los war: Wer hier wohnt, welche Geschäfte schließen und eröffnen, und wo eine tote Taube lag. 🪶
Eines Tages erzählte ich ihm von einem anstehenden Projekt: Die Straße neben dem Markt sollte neu geplant werden – gemeinsam mit Bewohner*innen. „Das ist doch genau dein Ding!“, sagte ich. „Du kennst die Ecke besser als alle anderen.“
Sein Blick wurde unsicher, und er schüttelte den Kopf: „Ach, ich verstehe von Stadtplanung nichts, dort bin ich doch fehl am Platz.“
Autsch! Thomas, der den öffentlichen Raum nutzt wie sein Wohnzimmer, zögerte tatsächlich, sich einzubringen. Und er ist nicht der Einzige: Eine Studie des VHW (Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung) zeigt, dass Menschen mit niedrigem Einkommen sich tendenziell weniger an Planungsprozessen beteiligen als besser Situierte.
‼️ Genau die, die oft in kleinen, prekären Wohnungen leben und den öffentlichen Raum am meisten nutzen, bleiben ungehört. ‼️
Was kann ich dazu sagen?
💡 Nahbarkeit und Vertrauen sind so wichtig bei der Arbeit mit Bewohner*innen.
❌ Wer noch nie an einem Beteiligungs-Verfahren teilgenommen hat, scheut sich das erste Mal, zu kommen.
❌ Wer Angst hat, er könnte etwas nicht verstehen, bleibt fern.
❌ Wer befürchtet, nicht ernst genommen zu werden, bleibt fern.
❌ Und wer sich neben Expert*innen im Nadelstreif underdressed fühlt, wird auch nicht gerne (wieder)kommen.
👉👉 Also: Nur wenn wir niederschwelligST arbeiten, erreichen wir tatsächlich jene Menschen, für die wir planen. ✔️Einfache Sprache. ✔️Offene Formate. ✔️Menschennahes Setting.
Thomas kam dann übrigens doch, aber erst, als ich ihm versicherte, dass ich auch da sein und höchstpersönlich seine Ideen aufnehmen werde. Trust rules! 👍
Zur Studie:
https://www.vhw.de/fileadmin/user_upload/08_publikationen/vhw-schriftenreihe-tagungsband/PDFs/vhw_Schriftenreihe_Nr._44_Gesellschaftliche_Trends_im_urbanen_Wandel.pdf
*Thomas heißt eigentlich anders, aber das ist für die Geschichte egal.